GASPARD SPONTINI - TRAGEDIE LYRIQUE “LA VESTALE”
Am besten sind wir über das Musikleben am Hofe König Ludwig Napoleons informiert über den Zeitraum, da er im ‘Paleis op de Dam’ residierte. Das von Jakob van Campen erbaute monumentale Rathaus aus dem 17. Jahrhundert wurde für Ludwig Napoleon einem gründlichen Umbau unterzogen und im Empire-Stil des französischen Kaiserreiches ausgestattet. Erst in des Königs letztem Regierungsjahr sollte Hortense sich für einige Wochen zu ihm gesellen. Ludwig Napoleon engagierte für sein Palaisorchester vor allen Dingen Musiker aus der Stadt Paris. Zum Hofkapellmeister, dem ‘Directeur de la Musique’, ernannte er den französischen Komponisten und Cellisten Charles-Henri Plantade (1764-1839), einen talentvollen Musiker, der zu jener Zeit als Musiklehrer zur musikalischen Erziehung und Ausbildung von Hortense seinen Beitrag geleistet hatte.
La Musique de la Chapelle et de la Chambre
Dieses ‘Orchester’ des Königs, als ‘La Musique de la Chapelle’ bezeichnet, bestand aus acht Sängern und etwa fünfzehn Musikern: aus Streichern, Bläsern und einem Schlagzeugspieler. Mit einigen Militärgeistlichen und Kaplanen, einem Pastor und einem Küster waren sie Teil des Kapellhofstaates. Für die Palastkonzerte verfügte der König über ein Kammermusikensemble, ‘La Musique de la Chambre’. Dieses Ensemble spielte Kompositionen aus der Musikbibliothek des Königs, sowie Tanz- und Tafelmusik. Zum festen Repertoirbestand gehörten des weiteren Fragmente aus Opern, der sowohl von Ludwig als auch von Hortense beliebten Musik; beide besuchten in Paris regelmäßig die Oper. Das Ensemble setzte sich aus einer Opernsängerin (‘Cantatrice’), zwei Sängern und einem Streichquartett zusammen; u.a. traten sie zu besonderen Anlässen im vormaligen Zimmer des Rates der Weisen auf .
Dieser Raum hatte zur Zeit der Regierung Ludwig Napoleons eine doppelte Funktion: Es wurde abwechselnd als Konzertsaal und als Saal des Staatsrates benutzt. Plantade und sein Ensemble spielten regelmäßig leichte Tanzmusik während der Hofbälle, die in dem festlich geschmückten, einstigen Bürgersaal (‘Grande Salle’) veranstaltet wurden. Es wurde von den Mitgliedern der ‘Musique de la Chapelle et de la Chambre’ ebenfalls erwartet, dass sie auch in anderen Palästen des Königs auftraten. Wenn der König im ‘Paleis het Loo’ verweilte - und dies geschah ziemlich oft - reiste das Musikensemble mit ihm mit. Es ist bekannt, dass Plantade u.a. die Auslagen für eine Übernachtung im nahe gelegenen ‘Vaessen’ [Vaassen] sowie für den Transport der Instrumente erstattet bekam. Insgesamt hatte der König etwa dreißig Musiker in seinen Diensten. Sie waren dem Dienste des Großkammerherrn, ‘La Service du Grand Chambellan’, unterstellt. Unter den Musikern befand sich ein sehr berühmter Musiker, der Flötist Louis Drouet (1792- 1873), der zu jener Zeit großes Aufsehen erregte. Der junge talentierte Flötenspieler war in Amsterdam geboren, wo sein Vater sich, aus Paris kommend, im Jahre 1786 als Perückenmacher niedergelassen hatte. Drouet war nicht nur Flötist, sondern auch Komponist, der sich durch Hunderte von Kompositionen, die er für sein geliebtes Instrument schrieb, ebenfalls einen Namen gemacht hatte. Möglicherweise war Drouet bereits 1806 als erster Flötist in den Dienst Ludwig Napoleons getreten; auf jeden Fall ließ der König in Paris für ihn im Jahre 1807, als Zeichen der Anerkennung, eine Kristallflöte mit silbernen Klappen mit der Inschrift anfertigen: ‘Geschenk von Seiner Majestät König von Holland, in seinem Palais zu Utrecht, für M.S. Drouet, erste Flöte im Orchester Seiner Majestät’ [‘Donné par S.M. le Roi de Hollande, en son Palais à Utrecht, à M.S. Drouet, première flute de la Musique de sa Majesté’].Ob Charles-Henri Plantade den Flötisten am französischen Hof eingeführt hat, ist unklar. Als Hortenses Musiksekretär war Drouet einer der wichtigsten Musiker im Dienste des Königs. Eines Tages ließ Ludwig Napoleon in dem herrlich schönen Bürgersaal des königlichen ‘Paleis op de Dam’ ‘Die Vestalin’ des italienischen Komponisten Gaspare Spontini aufführen. Es war das von Hortenses Mutter am meisten geliebte lyrische Theaterstück, das der Kaiserin Josephine gewidmet war. Die Königin konnte ihre Tränen nicht zurückhalten, als die gereizte Julia im ersten Akt ihre Sehnsucht nach dem Geliebten besang. Von Heimweh nach Frankreich fast erstickt, von ihrem launenhaften Ehegatten gequält und gesundheitlich angegriffen, flüchtete Hortense im Sommer zum ‘Paleis Het Loo’. Dort fühlte sie sich kaum besser und reiste zur Kur weiter nach Plombières. Sie sollte nie wieder nach Holland zurückkehren.
[Vertaling in het Duits; dr Karl Tax]